Die Anfänge der Zeche Brassert lagen im ausgehenden 19. Jahrhundert, als ab 1898 nördlich des Dorfes Marl Mutungsbohrungen auf Steinkohle fündig geworden waren und daraufhin Steinkohlenfelder zu einem Grubenfeld mit dem Namen „Brassert“, benannt nach Berghauptmann Hermann Brassert, dem Schöpfer des Allgemeinen preußischen Berggesetzes von 1865, konsolidiert wurden.
Nach der Gründung der bergrechtlichen Gewerkschaft Brassert wurde am 1.Mai 1906 der Grundstein für eine Doppelschachtanlage Brassert 1/2 gelegt. Im Dezember 1906 begann man mit den Vorbereitungen zum Abteufen von Scht. 1 nach dem Gefrierverfahren. Im Januar 1908 ist bei einer Teufe von -35m die Frostmauer gebrochen und der Schacht abgesoffen. Nach Auspumpen ging es dann aber zügig weiter und auch Scht. 2 wurde 1908 mittels Gefrierverfahren begonnen abzuteufen.
Scht. 1 erreichte im Mai 1909 das erste Steinkohlenflöz (Flöz Loki) bei -552m Teufe. In beiden Schächten machten zeitweise sehr starke Wasserzuflüsse den Abteufmannschaften schwer zu schaffen. Dennoch wurde im Juli 1909 bei -570m Teufe die erste Sohle ausgesetzt, die zweite Sohle bei -647m Teufe. Scht. 1 erreichte die vorläufige Endteufe von –673m im Dezember 1909; Scht. 2 wurde wegen starker Wasserzuflüsse erst einmal nur bis zur ersten Sohle abgeteuft, etwas später mittels Aufbruch von der zweiten zur ersten Sohle aufgebrochen.
Im Mai 1910 konnte dann die erste Kohle mit einer provisorischen Förderanlage am
Scht. 2 zutage gebracht werden und im Juli wurde auch die erste Kohle mittels Eisenbahnverbindung über Auguste-Victoria nach Sinsen zum Verkauf abtransportiert.
Zur gleichen Zeit wurde über Tage kräftig an den Bauten und technischen Anlagen gearbeitet. So sind 1910 das Schachtgerüst Scht. 1 und 1912 das Gerüst Scht. 2 erstellt worden. Schachthalle, Fördermaschinen, Kohlenwäsche und -aufbereitung, Maschinenzentrale und Kesselhaus sowie Magazin- und Bürogebäude wurden errichtet.
Unter Tage ist natürlich neben dem ersten Kohlenabbau auch in erheblichem Maße Aus- und Vorrichtungsarbeit geleistet worden. Um den Kohlenverkauf besser zu gestalten trat die Gewerkschaft Brassert 1915 dem Kohlenverkaufssyndikat bei. Wegen der ständig wachsenden Anforderung der Grube an Druckluft und elektrischer Energie und dem höheren Bedarf an Dampf für die Fördermaschinen mussten im Zeitraum bis 1917 die technischen Übertageanlagen immer wieder ausgebaut und verbessert werden.
1917 machten die AG Rheinische Stahlwerke, Duisburg (später Thyssen) der Gewerkschaft Brassert ein lukratives Übernahmeangebot, welches die Gewerkenversammlung auch annahm. Dadurch wurde die Zeche die „Abt. Brassert“ der Rheinischen Stahlwerke und die bergrechtliche „Gewerkschaft Brassert“ ist 1922 aufgelöst worden.
Die Zeche Brassert war stets bemüht, eine moderne Schachtanlage zu sein. So sind schon 1918 die letzten Grubenpferde aus der Hauptstreckenförderung unter Tage ausgeschieden, weil man sie durch Grubenlokomotiven (Druckluftloks) ersetzte. Anfang bis Mitte der 1920er Jahre setzte man auf Brassert schon Stangen- und Säulenschrämmaschinen und Druckluftabbauhämmer ein. Auch die Anlagen über Tage wurden durch Aus- und Anbauten an der Schachthalle, durch Modernisierungen in Kohlenwäsche und -aufbereitung und in der Maschinenzentrale und dem Kesselhaus ständig an den jeweiligen Stand moderner Technik angepasst.
Die 1930er Jahre brachten dann eine erhebliche Vergrößerung im Betrieb unter wie über Tage. Scht. 1 wurde bis -851m tiefer geteuft und bei -826m Teufe die dritte Sohle aufgefahren. Gleichzeitig konkretisierte man die Planung zur Errichtung einer neuen Schachtanlage Brassert Scht. 3, so dass im August 1938 mit den Vorbereitungsarbeiten und dem Abteufen von Scht. 3 begonnen werden konnte. Parallel dazu wurde auch Scht. 2 tiefer geteuft bis -849m und an die dritte Sohle angeschlossen. Über Tage mussten auf Brassert 1/2 die Kraftwerksanlagen wieder modernisiert und vergrößert werden, da auf der neuen Schachtanlage Brassert 3 eine moderne elektrische Fördermaschine installiert werden sollte. Schon damals war die Planung für Scht. 3 so gestaltet worden, dass neben der Gestellförderung (Wagenförderung) im freigebliebenen nördlichen Trum später eine automatische Skipförderanlage (Gefäßförderung) eingebaut werden sollte. Neben dem Aufbau der Anlage Scht. 3 wurde am Lippe-Seitenkanal (heute Wesel-Datteln-Kanal) ein eigener Brassert-Hafen errichtet, der ab 1941 die Kohleverladung auf Schiffe aufnahm. Vorher fand die Kohleverschiffung schon im Hafen von Auguste-Victoria statt. Der zweite Weltkrieg hat den Aufbau von Brassert Scht. 3 jedoch erheblich verzögert. Zwar wurde die Endteufe des Schachtes bei -1020m im Dezember 1942 erreicht, der Aufbau der Über-Tage-Anlagen dort (Schachtgerüst, Fördermaschine, Schachthalle und Verladeeinrichtungen nebst Kauen- und Bürogebäude) verzögerte sich aber kriegsbedingt wesentlich. Das Schachtgerüst konnte erst 1947 errichtet werden. Auch hier ist aber mit zu der Zeit modernster Technik das Gerüst erst am Boden liegend zusammengebaut und dann mittels Seilwinden aufgestellt worden, ein Verfahren das so damals erstmalig im deutschen Bergbau angewandt wurde. In Förderung ging die Schachtanlage Brassert 3 aber erst am 1. April 1954.
Zeche Brassert erlebte ihre Blütezeit nach dem zweiten Weltkrieg bis etwa 1957. So wurde 1956 mit rund 1,16 Millionen Tonnen die höchste Jahresförderung erbracht und im Dezember 1957 erreichte die Belegschaft mit 4718 Mann ihren Höchststand.Aus dieser Zeit stammten auch die Pläne für einen Wetterschacht 4 zwischen Kanal und Lippe. Es wurde seinerzeit im November 1957 auch schon eine Erkundungsbohrung (Kernbohrung, 250m tief) zur Festlegung der Gefrierteufe für das Abteufen von Scht. 4 gemacht. Schon 1949 ist der Scht. 2 bis -973m tiefer geteuft und eine neue vierte Sohle bei -948m ausgesetzt worden. Auch an Scht.3 wurde die vierte Sohle ausgesetzt. Scht. 1 teufte man 1952 bis auf -996m tiefer und erreichte damit den Anschluss an die vierte Sohle.
Im Strebausbau wurden auf Brassert 1954 stählerne Van-Wersch-Kappen und Stahlstempel in Verbindung mit stempelfreier Abbaufront und Panzerförderern eingeführt. Doch parallel zu dem Bemühen leistungsfähig und modern zu sein gab es aber vermehrt auftretende Schwierigkeiten. Zum einen war das Grubenfeld tektonisch vielfach zerrissen, was oft keine ausreichenden und damit lohnenden Abbaulängen zuließ. Die Brassertkohle war extrem hart, was nur eine schneidende Gewinnung mit Walzenschrämmaschinen zuließ. Hierfür allerdings brauchte man Flözmächtigkeiten von mindestens 1,4m, die nicht überall gegeben waren. Die Abbaustrecken neigten zu starkem Quellen der Streckensohle. Zum anderen gehörte der überwiegende Teil der anstehenden Flöze zu den Flamm- bzw. Gasflammkohlen, die wegen ihrer hohen flüchtigen Bestandteile für eine Verkokung nicht in Frage kamen. Seinerzeit war aber der Markt für Kraftwerkskohle nicht aufnahmefähig genug, so dass es vermehrt zu Absatzschwierigkeiten kam. Als Folge daraus wurden die Pläne für den Wetterschacht 4 schnell wieder zurückgestellt und letztlich nie umgesetzt. Statt dessen installierte man zur Klimaverbesserung im nördlichen Feldesteil unter Tage kurzzeitig zwei Lüfter an Scht. 3.
Mit dem Jahr 1958 begann der langsame Niedergang der Zeche Brassert. Es wurde mittels zweier Teilstilllegungen ein großer Teil des Grubengebäudes (Mergelsohle, erste und zweite Sohle und Zwischensohle) abgeworfen und Scht. 3 schon im März 1962 wieder stillgelegt. Der Abbau konzentrierte sich auf die Hauptflöze in der nach Norden flachen Lagerung (Flöze Kobold, Hagen, Erda und Chriemhilt). Einen kurzen Hoffnungsschimmer für ein längerfristiges Überleben von Zeche Brassert brachte noch Anfang der 1960er Jahre der Bau des Rheinstahl-Blockkraftwerkes, aber letztendlich sollte dies das Sterben der Zeche auch nur um ein paar Jahre hinausschieben.
1969 hat die neu gegründete RAG die Zeche Brassert übernommen, was schließlich das endgültige Ende bedeuten musste. Im RAG-Konzern war auf Dauer für solche kleinen Zechen mit den genannten Schwierigkeiten keine Zukunft. Und so wurde am 15.August 1972 die letzte Kohle auf Brassert gefördert.
Den traurigen Abschluss bildeten dann noch die Verfüllung der Schächte in 1973 und der Abriss der bergbautypischen Gebäude und Anlagen bis Ende 1974.
Heute erinnert nur noch wenig an die ehemalige Zeche Brassert. Die Lage der Schächte 1 und 2 ist zwar noch für jeden Interessierten sichtbar, aber kaum jemandem wird bewusst, dass unter dem runden Deckel mit der blassen Aufschrift S2 (Scht. 2) auf dem Parkplatz des Gewerbegebietes Zechenstraße oder hinter dem großen grünen Eisentor neben diesem Parkplatz (Scht. 1) es ehemals fast 1000m in die Tiefe ging und von dort im Laufe von gut 60 Jahren doch insgesamt fast 42 Millionen Tonnen Kohle abgebaut und zutage gefördert wurden.
Text von Ludger Südhof
Wir bedanken uns bei Ludger Südhof, Historiker von unser-brassert.de, gelebt und aufgewachsen in Brassert, für die freundliche Unterstützung. Viele der Texte und Bilder unserer Geschichtsrubrik entstammen seiner jahrelangen Arbeit und Faszination für den Stadtteil Brassert.